Während seines Fluges nach Madrid las unser Mitglied Norbert Feith den Artikel „Der Vorkämpfer Vinicius Junior“ (abgedruckt in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) vom 31.03.2024 auf S. 47 – geschrieben von Hans-Günter Kellner).
Norbert wollte sich zu den Inhalten des Artikels äußern und wählte dazu das Mittel des Leserbriefes, den wir Euch hier gerne als Debattenbeitrag zur Verfügung stellen wollen.
Leserbrief zu „Der Vorkämpfer“ in der FAS vom 31.03.2024, S. 47
Sehr geehrte Damen und Herren,
leider kam ich erst an diesem Wochenende dazu, Ihre FAS-Ausgabe vom 31. März 2024 zu lesen. Entgegen aller sonstigen Erfahrungen mit dem sehr geschätzten Qualitätsjournalismus Ihrer Zeitung hat mich die Lektüre des Artikels von Hans-Günther Kellner aus Madrid über den brasilianischen Fußballspieler „Vinicius“ aber geradezu nachhaltig entrüstet.
Darum übermittele ich Ihnen hierzu folgenden Leserbrief:
Naivität oder Zeitgeistgefolgschaft?
In seinem Artikel über den bei Real Madrid spielenden Fußballspieler „Vinicius“ beschreibt Hans-Günther Kellner diesen wegen seiner dunklen Hautfarbe als regelmäßiges Opfer rassistischer Anfeindungen im spanischen Fußball, gegen den sich der Spieler geradezu heldenhaft, eben als „Vorkämpfer“ wehre.
Genau dieses Selbstbildnis und undistanzierte Berichterstattungen wie Ihre sind es, die Vinicius verfolgt. Vinicius ist aber für mich als ständigen Beobachter des spanischen Fußballs nicht Opfer, sondern höchst ungebührlicher Provokateur und insofern Täter im ständig gesuchten Konflikt mit anderen Spielern, Schiedsrichtern und Zuschauern gegnerischer Mannschaften. Kein anderer Spieler steht wegen seiner Theatralik und aufgesetzten Gehabes derart im Mittelpunkt des kämpferischen Geschehens auf und neben dem Platz – und obwohl doch auch in Spanien Fußball ein Ergebnis- und bisweilen Kampfsport ist. Bei Rangeleien mit Vinicius ist angeblich immer einer dabei, der ihn auf oder neben dem Platz „rassistisch beleidigt“, und immer führt dies zu einer Welle heller Empörungen.
Wie mag es wohl dazu kommen, dass kein anderer dunkelhäutigen Spieler solche Vorwürfe erhebt? Alleine bei Real Madrid laufen regelmäßig 5 -7 dunkelhäutige Spieler in der Startformation auf, unter ihnen nicht zuletzt der, wenn es drauf ankommt, meinungsstarke deutschen Nationalspieler Antonio Rüdiger.
Dasselbe gilt übrigens auch für den Stadtrivalen Atlético Madrid. Auch hier gehören die dunkelhäutigen Spieler Memphis, Reinildo, Tomas Lemar oder Witsel zur ersten Elf, weitere zum erweiterten Kader.
Darum ist es auch ein auf der Hand liegender Kurzschluss Ihres Korrespondenten, der „Frente Atlético“ bei ihrem – sicher die Grenzen des fairen sportlichen Umgangs überschreitenden – Aktion, Vinicius als Puppe aufzuhängen, unreflektiert rassistische Motive zu unterstellen. Der Spruch „Madrid hasst Real“ gibt diese Deutung auch nicht her, sondern belegt lediglich die tiefe emotionale Abneigung gegen den Stadtrivalen. „Frente Atlético“ ist eine rot-weiße Ultrabewegung für ihren (Arbeiter)Verein und gegen den rivalisierenden weißen Club der Oberschicht. Diese auch extrem ausgetragene Rivalität hat eine jahrzehntelange Geschichte, bei der Vinicius wegen seines provokanten Verhaltens maximal die Rolle der aktuellen Projektionsfläche zukommt.
Ihr Korrespondent berichtet zudem höchst unvollständig. Denn parallel zu dem Beschriebenen hingen Ultragruppierung Real Madrids ein ungeheuerliches Plakat mit dem Konterfei von Anne Frank in einem Atlético-Trikot und dem Text auf: „Anne Frank gehört zu Atlético“, um diese als Opfer zu verschmähen. Passte das nicht zur Tendenz des Berichts oder war das der falsche Rassismus?
Kurz und gut: Ihr Artikel folgt aus meiner Wahrnehmung leider entweder naiv der selbst inszenierten Vini-Story oder folgt unkritisch dem Zeitgeist öffentlicher Berichterstattung, wonach, wenn jemand nur laut genug „Rassismus“ ruft, wie selbstverständlich ein Skandal gegeben ist. Beides ist für die Lektüre der FAS enttäuschend!
Zur Klarstellung: Selbstverständlich gibt es im Fußball und auf den Stadionrängen Rassismus! In Deutschland, in Spanien und anderswo. Dieser hat dort keinen Platz und ist zu verurteilen. Der Erzählung, Vinicius sei hier ein „Vorkämpfer“ sollten die FAS allerdings nicht erliegen.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Feith
(Mitglied im Peña Atlética Centuria Germana e. V. – Der erste und größte Atlético Madrid Fanklub Deutschlands